Wie mein innerer Schmerz entstanden ist und ich mit ihm umgehe
19.5.2020 I Svenja Hirsch
Dieser Text war eigentlich anders geplant. Aber statt von negativen Ereignissen zu sprechen, schreibe ich heute lieber, wie ich mit diesen umgehe. Hallo, innerer Schmerz!
Wenn du den Text über Papas Geschichten und Mamas Traurigkeit gelesen hast, weißt du: Zuhause wurde es zu dieser Zeit immer unangenehmer. Kinder nehmen es schon sehr genau war, wenn etwas nicht stimmt. Auch wenn sie es selbst erstmal nicht richtig verorten können, nicht wissen, ob das ‚normal‘ ist oder nicht. Einmal fetzten sich meine Eltern beispielsweise so doll, dass meine Schwester anfing zu weinen.
Lass uns die Sicht auf die Dinge verändern. Jetzt.
An dieser Stelle ändere ich den Text. Eigentlich hatte ich hier bereits aufgeschrieben, welche Situationen von Handgreiflichkeiten in unserer Familie vorkamen. Sehr konkret sogar. Mir wurde nach einem Streit beispielsweise ein Tritt in den Hintern verpasst, in einer anderen Situation wurde mir Prügel angedroht, wenn ich nicht sofort auf mein Zimmer verschwinden würde. Das sind die beiden Szenen, an die ich mich heute noch am meisten erinnere.
Ich habe mich dazu entschlossen, diese Situationen nicht weiter auszuführen und stattdessen zu schreiben, was das Ganze mit mir gemacht hat. Ich ändere die Geschichte. In eine, die etwas Gutes bewirkt hat und bewirken kann.
Zuerst war es Misstrauen, heute ist es Vergebung
Insbesondere der Tritt in den Hintern war für mich sehr schlimm. Ich habe diesen überhaupt nicht kommen sehen, weil ich mich zum Gehen abgewandt hatte und er mir hinterrücks verpasst wurde. Es fühlte sich so unglaublich mies an, wenn du einem Menschen vertraust, ihm den Rücken zuwendest und der zutritt. Ich habe mich nie wieder so gedemütigt gefühlt. Und ich glaube, dass diese konkrete körperliche Situation zu sehr viel Misstrauen gegenüber anderen Menschen führen kann. Dass die körperliche auch auf die seelische Ebene übertritt.
Ich lasse es heute darauf ankommen und weiß sofort, mit was für einem Menschen ich es zu tun habe
Die oben beschriebene Drohung war demgegenüber fast harmlos, wenngleich sie ein stark psychische Komponente hatte. Meinem Trotz wurde mit Prügel gedroht. Und ein anderer Mensch hatte in diesem Moment sehr große Angst und flehte mich fast an, in mein Zimmer zu gehen und dieser Drohung nachzugeben. Das ist vielleicht einer der Gründe, weshalb Drohungen bei mir nach wie vor eine absolute Trotzreaktion hervorrufen. Gerade das Androhen von körperlicher Gewalt hat mich später einmal dazu verführt, es tatsächlich drauf ankommen zu lassen. Um zu sehen, ob der andere so weit gehen und mir tatsächlich wehtun würde. Es ging dabei ’nur‘ um eine Ohrfeige. Und ich wusste im Anschluss, wen ich vor mir habe.
Mein innerer Schmerz schenkt mir Mut
Mein innerer Schmerz rührt aus diesen Vorkommnissen. Dem Wissen, wie es sich anfühlt, gedemütigt zu werden, Angst zu haben und dennoch mutig zu bleiben. Auf die Gefahr hin, dass man eine gewischt bekommt, ergo auf die Fresse fliegt. Obwohl ich sehr viele Ängste habe und diese noch nicht alle loslassen konnte, habe ich dennoch mehr einfach gemacht, als andere Menschen mit demselben Angstlevel.
Du bist nicht das Opfer, sondern der gütige Mensch
Mich lehrt das Ganze derzeit, mit allem Gewesenen abzuschließen und der Vergangenheit zu vergeben. Das ist sehr schwer und ich habe sehr lange gebraucht, um an diesen Punkt zu kommen. Doch denke ich, dass das der einzige Weg ist, sich selbst zu befreien. Sich selbst zu sagen, dass man nicht das gedemütigte Opfer ist, sondern der Mensch, der dieser Demütigung vergeben hat. Und sich somit selbst eine andere Geschichte von sich zu erzählen als die, mit der man vielleicht Jahre lang herumgelaufen ist und die einen belastet hat. Und ich nehme an dieser Stelle die kleine Svenja noch einmal ganz fest in den Arm und sage ihr: „Ich liebe dich, ich beschütze dich. Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Alles ist gut.“
Falls du auch so etwas erlebt hast, hoffe ich, dir mit diesen Worten weiterhelfen zu können. Ich hoffe, du kannst etwas hieraus ziehen, wodurch du selbst mit solchen Verletzungen umgehen oder sogar abschließen kannst. Das würde mich sehr freuen!
Text: Svenja Hirsch
Skizze: auch
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